Ach, wer da mitreisen könnte

Neun Jahre Hans-Otto-Theater unter der Leitung Tobias Wellemeyers gehen zu Ende – und das wird gefeiert. Von Clara Olberding.

Das Gewusel ist groß im Foyer des Hans-Otto-Theaters an der Schiffbauergasse. Und das mit gutem Grund: Am vergangenen Freitag, dem 25.5.2018, luden der Intendant Tobias Wellemeyer und sein Ensemble zur Abschiedsfeier ein – eine Gelegenheit zum Resümieren und vor allem zum Feiern. Neun Jahre sind um und nun ist es Zeit, weiterzuziehen.

„Let me entertain you“

Vor dem Theater, im Foyer und schließlich auch im Theatersaal hört man es leise flüstern, „Weißt du noch“ ‘s und Lacher werden ausgetauscht, bevor das Spektakel endlich beginnt. Der Abend wird eröffnet von dem 25-köpfigen Ensemble, welches die Bühne in schicker Abendrobe stürmt und gemeinsam „Let me entertain you“ von Robbie Williams in ausgelassener Stimmung performt. Danach wird das Publikum von den Ensemblemitgliedern Meike Finck und Michael Schrodt begrüßt, die die Gäste mit Witz und Charme durch den Abend geleiten werden, in dem jedes Ensemblemitglied, ganz für sich oder vielleicht auch etwas für die restlichen Besucher, sein bzw. ihr persönliches Abschiedslied singt, gesammelt aus der ein oder anderen der insgesamt 200 Produktionen der letzten neun Jahre. Begleitet werden sie von einer Band und Fotodiashows auf einer großen Leinwand mit Bildern der vergangen Jahre.

Abschied vom Kapitän des roten Theaterschiffes

Der Kapitän des roten Theaterschiffes, Tobias Wellemeyer, wird mit tosendem Beifall begrüßt, springt vom Zuschauerraum auf die Bühne und auch einige Schauspieler treten, um ihren Kapitän besser hören zu können, aus den Seitenbühnen hervor und setzen sich auf die Bühne. Wellemeyer schwelgt in Erinnerungen, erwähnt die Besucherrekorde dieser Spielzeit, resümiert 200 Produktionen und wünscht den Gehenden Glück und offene Türen, während er beinahe wehmütig Eichendorff’s Gedicht „Sehnsucht“ zitiert: Ach, wer da mitreisen könnte / In der prächtigen Sommernacht!

Sein Dank gilt nicht nur seinem Ensemble, sondern auch all jenen, die hinter den Kulissen meist unerkannt schuften. Dieser Dank wird nach Wellemeyers Rede vom Ensemble aufgenommen, die anschließend Videos auf die Leinwand projizieren, welche gerade diese wichtigen Menschen der großen Theatermaschinerie bei ihrer Arbeit zeigen.

Ein bitterer Beigeschmack

Auch Noosha Aubel, Beigeordnete für Bildung und Kunst der Landeshauptstadt Potsdam, kommt auf die Bühne und erlaubt sich einen kurzen Dank auszusprechen. Die Unstimmigkeiten über den Intendantenwechsel schneidet sie nur knapp an und schließt mit der Bemerkung, dass dem Theater der Diskurs beiwohne und es daher gut und richtig sei, sich über Verschiedenes nicht einig zu sein und zu diskutieren.

Den letzten Redebeitrag tätigt die Vorsitzende des Fördervereins des Hans-Otto-Theaters Lea Rosh. Nur mit Widerwillen will sie heute fröhlich sein und feiern, immerhin müssen nun so viele gehen und so wenige bleiben dem Theater und seinem Publikum erhalten. Das Ensemble sei so, wie es gerade ist, großartig und müsste noch einmal in seiner ganzen Vollkommenheit wertgeschätzt werden. Daher wird an diesem Abend außerplanmäßig der Potsdamer Theaterpreis verliehen, der im vorigen Jahr an Publikumsliebling Bernd Geiling ging und normalerweise nur alle zwei Jahre verliehen wird.

Der mit 3000 Euro datierte Preis soll aber keinesfalls nur ein einzelnes Ensemblemitglied ehren, sondern das ganze Ensemble, was den vorigen Preisträger dazu  veranlasst seine Stimme zu erheben: Kunst sei sehr flüchtig, leicht vergesslich. Umso schöner sei es daher, dass es Preise wie diesen gäbe. Bernd Geiling wird an diesem Abend der Einzige sein, der dem kommendem Ensemble Respekt zollt, sagt, dass man das Alte nicht vergessen, sich aber auf das Neue dennoch freuen sollte, denn die, die kämen, hätten das sicherlich verdient.

Ein Hauch von Glitzer

Der Abschluss des Abends wird, wie soll es anders sein, dem Intendanten gewidmet. Das Ensemble schenkt Wellemeyer eine große Magnolie, die nur einmal im Jahr blüht, dafür dann besonders kräftig, und sich tief in fruchtbaren Boden verwurzelt. So soll auch Wellemeyer, einmal kurz aber dafür umso intensiver an sein Ensemble denken und auch sie werden sich gerne an den fruchtbaren Boden erinnern, den ihr Intendant ihnen geschenkt hat, um sich nach allen Regeln der Kunst auszutoben.

Und so geht der Abend zu Ende wie er begonnen hat: Mit einem Lied. Alle liegen sich in den Armen, verdrücken Tränchen und halten sich an den Händen und als alle verschwunden sind, bleibt noch ein Hauch Glitzer in der Luft hängen. Vielleicht ist es das, was nach neun Jahren bleibt: Eine Prise Glitzer und schwarzer Schnee, die das Hans Otto Theater ein knappes Jahrzehnt verzaubert haben und wohl noch lange nachklingen werden.

 

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